Wie hat sich Covid-19 auf die Schulbildung in Österreich ausgewirkt?

In Österreich waren rund 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler (und über 200.000 Kindergartenkinder) von Schulschließungen betroffen. Die Schließungen führten zu einem abrupten Wandel des Bildungssystems hin zu Fernlehre oder Heimunterricht. In Österreich bedeutete Fernunterricht in erster Linie, über verschiedene Kanäle den Kontakt zu den Schülerinnen und Schüler herzustellen und aufrechtzuerhalten, Lerninhalte zu entwickeln und zu vermitteln. Die konkrete Ausgestaltung lag weitgehend in der Verantwortung der Lehrenden.
Es wird davon ausgegangen, dass sich Lernversäumnisse tatsächlich langfristig negativ auf Kompetenzen, Qualifikationen und Einkommen auswirken, und hier werden die großen Unterschiede je nach sozioökonomischem Status der Schüler besonders deutlich. 11 % der Schülerinnen und Schüler konnten während der ersten Schulschließung nicht oder nur schwer erreicht werden. Bei Schülerinnen und Schülern aus sozial benachteiligten Haushalten stieg dieser Anteil auf 35 %.

Neben dem Lernen erfüllt die Schule auch eine Reihe von sozialen Funktionen, die durch die Schließungen und Lockdowns unmöglich gemacht wurden. Die Schule ist ein Ort, an dem Kommunikation und soziale Einbettung stattfinden. Die Schülerinnen und Schüler haben die Schule, das direkte Feedback der Lehrpersonen und vor allem ihre Mitschüler während der Schulschließungen vermisst. Der direkte Austausch innerhalb der Klasse ist besonders für diejenigen Schüler wichtig, die zu Hause nur wenig Unterstützung bekommen können. Auch die Unterstützungssysteme an den Schulen, wie Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter und externe Lernhelfer, sind im Zuge der Schließungen zusammengebrochen.

Wie vertraut waren österreichische Schulen vor Covid-19 mit der Nutzung der digitaler Medien im Unterricht?

Es gab - im Vergleich zu anderen europäischen Ländern - eine große Lücke in der Digitalisierung des österreichischen Bildungssystems, was den Internetzugang an den Schulen, die Nutzung von Kommunikationsplattformen, das technische Personal an den Schulen und die IKT-Kenntnisse der Lehrpersonen betrifft. Nur 33 Prozent der Lehrerkräfte der Sekundarstufe I gab vor der Krise an, IKT "häufig" oder "immer" für Projekte oder Klassenarbeiten zu verwenden. (OECD-Durchschnitt: 53 %). 40 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass IKT-Kenntnisse Teil ihrer formalen Aus- oder Weiterbildung waren, was ebenfalls unter dem OECD-Durchschnitt in TALIS (56 %) liegt. 15 % der österreichischen Lehrerpersonen sahen einen hohen Bedarf an der Entwicklung von IKT-Kenntnissen für den Unterricht.
IT war bisher nicht wirklich in den Lehrplänen verankert, obwohl es seit den 1980er Jahren Bemühungen in diese Richtung gibt. Für Schülerinnen und Schüler im Alter von 10-14 Jahren sah der Lehrplan nur sehr vage Richtlinien für eine Verbindliche Übung zu Informatik und die Integration von IT in andere Fächer vor. Mit dem Schuljahr 2022/23 wurde an Mittelschulen und AHS-Unterstufen der neue Pflichtgegenstand „Digitale Grundbildung“ eingeführt. Auch in der Volksschule wurden nun digitale Kompetenzen - Medienbildung, reflektierter Umgang mit dem Internet - im Lehrplan verankert.

Wie gut waren die Lehrpersonen darauf vorbereitet, digitale Lernmethoden einzusetzen?

Die Schulschließungen im März 2020 erfolgten extrem kurzfristig, und den Lehrkräften blieb nur wenig Zeit zur Vorbereitung. Daher wurde in der ersten Phase der Schulschließung häufig noch "analog", aber auf Distanz unterrichtet - d. h. mit Schulbüchern, Arbeitsblättern und Arbeitsaufträgen. In der zweiten Schließungsphase waren Videokonferenzen und die Einrichtung von Austauschforen und Fragestunden unter Schülerinnen und Schülern sowie zwischen Schülern und Lehrerkräften bereits üblich. Auch wenn die IT-Ausstattung der österreichischen Schulen nicht perfekt ist, gaben 95% der Lehrpersonen an, privat über eine gute IT-Ausstattung zu verfügen.
Dennoch lässt sich feststellen, dass Fernunterricht in Österreich nach wie vor nur teilweise mit E-Learning gleichgesetzt werden kann. Digitales Lernen und Lehren erfordert eine sorgfältige Planung und Vorbereitung, einen didaktischen und methodischen Ansatz - nicht "Lernen von der Technologie, sondern Lernen mit der Technologie". Die Technologie ist das Werkzeug, nicht der Ansatz.

Welche Hindernisse gab es für die Schülerinnen und Schüler?

Entscheidend für die erfolgreiche Fernlehre sind entsprechende technische Voraussetzungen und die digitalen Fertigkeiten. 78% der Schüler gaben an, über eine entsprechende technische Ausstattung zu verfügen, eine adäquate Internetverbindung hatte nur 71 %. Allerdings sind die notwendigen Geräte nicht gleichmäßig verteilt. Bei rund 60 % der Schülerinnen und Schüler schätzen die Lehrerpersonen die privaten Voraussetzungen (u.a. Platz und Ruhe zu Hause, Unterstützung durch die Eltern) als gut ein, was im Umkehrschluss bedeutet, dass 40 % nicht über die notwendigen Voraussetzungen für digitales Lernen verfügen.

Die IT-Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler sind unterschiedlich. Relativ gut bewertet wird einerseits das Risikobewusstsein im Umgang mit dem Internet (49 % Zustimmung unter den Schülern) und die Fähigkeiten zur Audio-/Videoaufzeichnung (57 % der Lehrkräfte schätzen die Fähigkeiten ihrer Schüler in diesem Bereich als gut bis sehr gut ein). Kompetenzen und Selbstvertrauen im Umgang mit Medien an sich (81 %), in der Nutzung von Suchmaschinen (70 %), der Nutzung von Lernplattformen (71 %) und für das Scannen und Versenden von E-Mails (84 %) werden höher bewertet. Weitaus größere Hindernisse sehen die Lehrpersonen jedoch in der mangelnden Motivation ihrer jugendlichen Schülerinnen und Schüler (66 %), in Ablenkungen (71 %) und in Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Tagesstruktur (90 %) im Fernunterricht.

Quellen: 

  • Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Digitale Grundbildung; https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/dibi/dgb.html (ges. 25.4.2023)
  • Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2021): Studie Lernen unter Covid-19, https://lernencovid19.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_lernencovid19/Zwischenergebnisse_Schueler_innen.pdf
  • Institut für Höhere Studien (2021): Lehren und Lernen unter Pandemiebedingungen. Was tun, damit aus der Gesundheits- nicht auch eine Bildungskrise wird? Vienna, https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/5873/24/ihs-report-2021-steiner-koepping-leitner-pessl-lassnigg-lehren-und-lernen-unter-pandemiebedingungen.pdf
  • OECD (2019), TALIS 2018 Results (Volume I): Teachers and School Leaders as Lifelong Learners, TALIS, OECD Publishing, Paris. https://doi.org/10.1787/1d0bc92a-en; see also https://www.oecd.org/education/talis/talis-2018-results-volume-i-1d0bc92a-en.htm